Leseprobe für "Depressionsprogramm"


Es IST einmal...

Das Prinz-ip

Es war einmal eine kleine Prinzessin, die lebte zufrieden in ihrem Schloss. Sie musste sich um nichts kümmern und viele Diener erledigten alles, was zum königlichen Haushalt gehörte. Die einzige Aufgabe der Prinzessin war, auf den perfekten Prinzen zu warten. Und bis der vorbeikam, beschloss sie, ein paar hundert Jahre zu schlafen. Was danach passieren sollte, also falls er tatsächlich vorbeikam, war ihr allerdings völlig schleierhaft. Denn im Allgemeinen hören Märchen an dieser Stelle auf. Aber im Schlaf braucht man sich nicht so viele Gedanken zu machen. Warten ist eine nette Angelegenheit und die Prinzessin ließ sich durch nichts davon ablenken. Die verschiedenen Bewohner des Schlosses würden schon so lange auf alles Wichtige achten.

Unser Märchen gefällt Ihnen bis hierher noch nicht? Hm. Das verstehen wir nicht. Viele Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens mit dem Warten auf bessere Zeiten. Und überlassen wichtige Lebensentscheidungen lieber anderen. Das ist sogar knallharte Realität, kein Märchen. Ach so, vielleicht deshalb… es kommt Ihnen bekannt vor… nun, wir können das Märchen ändern! Kein Problem. Wir erzählen es aber erst einmal ein wenig weiter.

Es trug sich zu, dass eines Tages ein Prinz vorbeikam. Er sah die Prinzessin, war sehr von ihr angetan, weckte sie und beschloss, sie mit auf sein Schloss zu nehmen. Dort angekommen, setzte er die Prinzessin an seine schöne große Tafel und erfreute sich an ihrer Erscheinung. Die Prinzessin erfreute sich auch an ihm. Zunächst. Ein paar Tage und Wochen später auch noch. Aber dann wurde sie immer melancholischer und fragte sich, was sie nun tun sollte – die Wartezeit war nun vorüber, denn der Prinz war gekommen. Auf ein Leben nach diesem Ziel hatte sie niemand vorbereitet. Der Prinz hatte dieses Problem nicht, denn er war dagegen auf ein Leben vorbereitet worden, welches das spätere Regieren ermöglichen sollte. Sein Tag war ausgefüllt und er bemühte sich in vielen Dingen, seinem Ziel näher zu kommen.

Ganz gleich, ob Sie sich, wenn überhaupt, bis hierher eher mit der Prinzessin oder dem Prinzen vergleichen können oder wollen – was fühlt sich besser an? Da haben Sie ins Schwarze getroffen! Die Rolle der Prinzessin natürlich. Oft möchten wir leben wie eine Prinzessin, gänzlich jeder Verantwortung enthoben. Und endlich auch mal ein paar Jahrhunderte schlafen, vielleicht wachen wir ganz von alleine in einem besseren Leben auf. Aber bedenken Sie, hunderte von Jahren ohne Körperpflege…ob ein Prinz da noch anhält? Wie, Sie meinten aber den Prinzen? Wir sind entzückt – vielleicht leben Sie klar und selbstbestimmt nach Ihren Zielen – aber was machen Sie dann hier in unserem Programm? Vielleicht hat der Prinz in Ihnen zu viele Ziele und Sie versuchen zu schnell oder gestresst darauf zuzusteuern? Denken Sie, trotz aller Versuche müssten Sie immer mehr erreichen und alle Verantwortung laste allein auf Ihnen? Dies wäre eher die Rolle des Königs. Lassen Sie ruhig erst einmal mehr den Prinzen in sich heraus. Bedenken Sie, dass der Prinz sein Hauptziel, das Regieren, zu einem ungewissen späten Zeitpunkt erreichen wird. Bis dahin sammelt er in Ruhe an Erfahrung und verwirklicht kleine Ziele. Dies ist seine Bestimmung.

Wir alle leben in einer Form von Märchen, die wir selbst gewählt haben. Daher ist es nicht nötig, die Geschichte der Prinzessin weiter zu erzählen. Sie können sich das Weitere denken. Warten führt zu wenig Befriedigung. Und das Überlassen von Entscheidungen an andere birgt auch Gefahren in sich, denn es ist ein Weg in eine eher eingeschränkte Zukunft – welche nicht mehr von Ihnen selbst bestimmt wird. Wenn Sie eine Aufgabe, eine Arbeit, eine Partnerschaft, ein Sozialleben haben – und daran arbeiten, dies zu erreichen oder wieder zu gewinnen, werden Sie zum Prinzen. Und lassen die Prinzessin in sich einfach weiter schlafen. Wenn Sie die Prinzessin in sich nicht wecken, kann diese Sie auch nicht von Ihren eigenen Zielen abhalten. Und wenn Sie möchten, verneigen wir uns jetzt vor Ihnen – dem soeben neu geborenen Prinzen. Seien Sie es einfach und handeln Sie danach. Es funktioniert zuerst im Kopf und dann in Ihrem Leben. Sie wählen. Und fortan glücklich und zufrieden…nun gut. So einfach und schnell geht es nicht. Aber es ist ein bedeutsamer Anfang.


Lesebeispiel 1, Seite 27
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